Litigation Funding Podcast Series mit Dr. Malte Stübinger und Dr. Elke Umbeck

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In dieser Podcast-Reihe führt Dr. Malte Stübinger General Counsel Deutschland und Global Practice Lead für Consumer Claims bei Deminor Litigation Funding, Interviews mit Experten zu aktuellen Streitthemen und Reformen im deutschen Rechtsmarkt, insbesondere in den Bereichen Schiedsgerichtsbarkeit, internationales Wirtschaftsrecht und kollektiver Rechtsschutz.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen des Gesprächs zwischen Dr. Malte Stübinger und Dr. Elke Umbeck aus Mai 2023 über das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts ist im nachfolgenden Beitrag nachzulesen. Den Link zum Podcast finden Sie im Artikel.

Litigation Funding Podcast Series mit Dr. Malte Stübinger und Dr Elke Umbeck

Podcast Vorwort:

Deminor General Counsel Germany Dr. Malte Stübinger (MS), spricht mit Dr. Elke Umbeck (EU), Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Hamburg und anerkannte Schiedsrechtsexpertin. Sie ist sowohl als Parteivertreterin als auch als Schiedsrichterin mannigfaltig tätig und hat sich bereits vor einigen Jahren bei ihrer Tätigkeit im Hamburg Abitration Circle intensive Gedanken darüber gemacht, was am deutschen Schiedsverfahrensrecht modernisiert werden könnte, wo es gut funktioniert, und was Reformbedarf hat.

Nun ist seit Mai das Eckpunktepapier des Justizministeriums auf dem Tisch. Und darüber würden wir uns gerne mit Dr. Elke Umbeck unterhalten. Es ist im Moment so, dass das Bundesjustizministerium wahnsinnig aktiv ist. Erst kam das Eckpunktepapier zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts, dann die Studie zu den rückläufigen Verfahrenseingängen in der Zivilgerichtsbarkeit, jetzt auch noch der Referentenentwurf für die Einrichtung von Commercial Courts. Das Thema Konfliktlösung scheint beim BMJ ganz oben auf der Agenda zu stehen.

Podcast Mitschrift:

MS – Was ist insgesamt dein Eindruck von den Reformbestrebungen, wenn wir uns Deutschland als wettbewerbsfähigen Ort für Konfliktlösung anschauen? Geht das in die richtige Richtung?

EU - Ja, ich freue mich, dass das Bundesjustizministerium sich dem Thema angenommen hat, neben den vielen anderen wichtigen Themen, die auf dem Tisch liegen. Ich denke, das geht in die richtige Richtung. Ich weiß nicht, wie du es siehst, aber Deutschland muss unbedingt etwas tun, um weiterhin eine attraktive Gerichtslandschaft und eine attraktive Justiz zu bieten. Nicht nur international, sondern auch national. Die  Studie über die zurückgehenden Fallzahlen macht schon Sorge.

Litigation Funding Podcast Series mit Dr. Malte Stübinger und Dr Elke Umbeck - Was ist insgesamt dein Eindruck von den Reformbestrebungen, wenn wir uns Deutschland als wettbewerbsfähigen Ort für Konfliktlösung anschauen?

MS – Was meinst du, woran liegt das? Warum wird sich weniger vor Gerichten gestritten? Es ist ja nicht so, dass die Schiedsinstitutionen jetzt überlaufen an Fällen. Es scheint sich insgesamt weniger gestritten zu werden, obwohl die Wirtschaft komplexer wird. Wird die Wirtschaft komplexer und friedlicher?

EU - Ob es friedlicher geworden ist, weiß ich nicht. Es sind zum einen natürlich hohe Kosten, die teilweise Unternehmen abschrecken, so ein Verfahren über eine lange Dauer durchzuführen. Ja, teilweise ist es vielleicht aber auch insgesamt die Anstrengung, die damit verbunden ist. Und es werden vielleicht zu schnell Gründe gesucht, einen bestehenden Anspruch dann nicht zu verfolgen. Ehrlich gesagt, das macht mir Sorge, weil die Justiz ja auch wichtig ist für die Rechtsfortbildung, also einmal für die konkrete Streitschlichtung natürlich und ihre Befriedigung, aber eben auch für die Rechtsfortbildung. Und ja, zu schnell einfach aufzugeben, finde ich dann eine schlechte Entwicklung. Die Justiz muss weiter attraktiv bleiben – für Unternehmen, für Rechtssuchende allgemein – und sie tut gut daran, sich weiter zu modernisieren, sich den technischen Herausforderungen zu stellen.

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MS – Wenn du auch aus deiner eigenen Beratungspraxis überlegst, was sind Hauptgründe oder Bewegpunkte, die du dir vorstellen könntest, dass sich Mandanten dann am Ende des Tages entscheiden, einen Anspruch, bei dem ihr in der anwaltlichen Beratung gesagt habt, die Durchsetzungschancen überwiegen, dann dennoch liegen zu lassen? Ist das primär das Thema Kosten, das Thema Zeit oder sind das noch ganz andere Erwägungspunkte?

EU - Aus deutscher Sicht sind Geschäftsleiter ja dazu verpflichtet, bestehenden Ansprüchen erst einmal nachzugehen, da gibt es eine gesellschaftsrechtliche Pflicht. Insofern bedarf es guter Gründe, einen bestehenden Anspruch liegen zu lassen. Solche Gründe können die bestehenden Geschäftsbeziehungen sein, möglicherweise Rufschädigung, wenn eben das Verfahren nicht vertraulich geführt wird, sondern man Sorge hat, dass das in die Öffentlichkeit gezerrt wird, zudem Kosten, Zeit, Bindung von Mitarbeitern. Das ist natürlich wie immer ein Motivationsbündel und verschiedene Gründe, die zu beachten sind. Allen voran stehen natürlich die Erfolgschancen und wie diese bewertet werden.

MS – Dann lass uns einmal in die einzelnen Punkte des Eckpunktepapier reinschauen. Was das Justizministerium da jetzt regeln möchte, sind einige Vorschläge, bei denen das Justizministerium schon recht klar der Meinung ist, das möchten wir tun. Es kommen noch einige weiter hinten, die eigentlich mehr eine Aufforderung an die Praxis sind, zu sagen: Brauchen wir das? Ist das sinnvoll? 

Die sind auch mehr als Frage formuliert, ich glaube, um abzuklopfen, ob man da in die richtige Richtung läuft. Ein Thema sind die Commercial Courts in den Ländern, was dann in Zukunft auch tatsächlich Auswirkungen auf das Schiedsverfahren haben kann, weil sich das zuständige Gericht bis zum Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ändern kann. Je nach Sitz des Schiedsgerichts wird sich dann dementsprechend in einem Land, in dem auch ein Commercial Court besteht, in Zukunft das gesamte Anerkennungs und Verrechnungsverfahren möglicherweise auf Englisch durchführen lassen. Selbst wenn es keinen solchen Commercial Court in dem jeweiligen Land gibt, sollen künftig dann Schiedsspruch und auch die relevanten Dokumente aus dem Schiedsverfahren dem staatlichen Gericht in Englisch vorgelegt werden können.

Litigation Funding Podcast Series mit Dr. Malte Stübinger und Dr Elke Umbeck  -Was sind Hauptgründe oder Bewegpunkte, die du dir vorstellen könntest, für die Mandanten, dass sie sich dann entscheiden am Ende des Tages einen Anspruch

MS –  Ist das jetzt etwas, wo du als Schiedspraktikerin sagst, das macht uns die Arbeit einfacher, darauf haben wir in der Praxis gewartet? Oder ist es ein „Nice to have“?

EU - Das sind alles kleine Stellschrauben, um in ihrer Gesamtheit das Schiedsrecht zu modernisieren. Eins ist eben künftig das, dass man im Vollstreckungsverfahren Dokumente auf Englisch vorlegen kann. Ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist total absurd, dass man das Schiedsverfahren auf Englisch führt und dann Dokumente erst noch ins Deutsche übersetzt werden müssen. Obwohl man natürlich sagen muss, viele Dokumente werden im Vollstreckungsverfahren auch gar nicht vorgelegt, denn es findet ja keine, wie wir sagen, Revision au fond statt. Das heißt, das ganze Verfahren wird nicht noch mal neu aufgerollt, es werden auch naturgemäß nicht alle Dokumente aus dem Schiedsverfahren vorgelegt. Aber es kann natürlich sein, dass es sich auf einzelne Dokumente fokussiert. Wenn man die Dokumente dann erst in die deutsche Amtssprache übersetzen muss, ist das schon mühsam. Zumal wenn es sich um einen internationalen Schiedsspruch handelt, der eben auch in mehreren Ländern vollstreckt werden soll. Es ist eine große Vereinfachung, wenn man das Verfahren auf Englisch führen kann.

Die zweite und davon zu trennende Frage ist: Wer soll künftig zuständig für die Vollstreckungsverfahren sein? Soll es bei den Commercial Courts konzentriert werden? Oder soll es bei den Senaten am Oberlandesgericht bleiben, die jetzt im Moment für die Schiedsverfahren zuständig sind? Ich denke, das könnte zu einer weiteren Konzentrierung von Wissen und Erfahrung im internationalen Bereich führen. An den Commercial Courts werden künftig Richter arbeiten, die sich besonders für diese internationalen Sachverhalte interessieren und dann könnte sich das schon anbieten, auch diese für das Vollstreckungsverfahren für zuständig zu erklären.

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MS –  Neben der Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstreckung wird im Eckpunktepapier überlegt, dass wir in der Zusammenarbeit während des laufenden Verfahrens eine Instanzenänderung bekommen, dass nämlich für Themen im Einstweiligen Rechtsschutz und Hilfe bei der Beweisaufnahme oder anderen Ersuchen zukünftig die Zuständigkeit am Oberlandesgericht liegen soll statt bisher am Amtsgericht, insbesondere für Beweisaufnahmen.

Was hältst du davon?

EU - Ja, das ist einer der vier weiteren Regelungsgegenstände, die hier zur Diskussion gestellt werden. Und ich finde es natürlich erst mal gut, dass das Bundesjustizministerium hier auch explizit die Praxis mit einbinden will, um in die Diskussion einzusteigen. Insofern sehe ich das nur als einen groben Vorschlag. Tatsächlich muss man sagen, diese Unterstützung bei der Beweisaufnahme ist beim Oberlandesgericht gar nicht so gut aufgehoben. Bis jetzt hat das gut an den Amtsgerichten geklappt, die viel häufiger Beweisaufnahmen durchführen. Das Oberlandesgericht, welches eine reine Rechtsmittelinstanz ist, und nur über Rechtsverletzungen entscheidet und eher als Ausnahme eine eigene Beweisaufnahme durchführt, ist vielleicht gar nicht der richtige Spruchkörper oder wie siehst du das?

MS – Was ich mich ehrlich gesagt gefragt hatte, ist, warum man über Amtsgericht und Oberlandesgericht spricht, aber die Mitte rauslässt. Weil ehrlich gesagt die Instanz, die doch eigentlich in größeren wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten es am ehesten gewohnt ist, auch zu komplexen Sachverhalten große Beweisaufnahmen durchzuführen, wären doch die Landgerichte und insbesondere die Kammern für Handelssachen. Diese finden gar keine Erwähnung. Ich habe mich gefragt, ob dem irgendein Sachgrund zugrunde liegt, den ich noch nicht gesehen habe. Ich weiß nicht, ob dir etwas einfällt, ansonsten fände ich es persönlich dort am logischen angedockt.

EU - Das hat natürlich einen gewissen Charme. Da gebe ich dir Recht. Für größere Verfahren wäre das Landgericht besser, weil die vom Streitwert üblicherweise immer zuständig sind. Das ist noch nicht zu Ende gedacht, aber einen sachlichen Grund sehe ich auch nicht.

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MS – Muss es ja auch nicht immer sein, wenn man zunächst eine Diskussion anregen möchte. Für mich ehrlich gesagt der größte Knaller und die größte Überraschung in diesem Entwurf ist der Vorschlag, dass man künftig formfrei Schiedsvereinbarungen schließen darf.

Auf den ersten Blick klingt das für mich nach einer großartigen Erleichterung im internationalen Handelsverkehr. Wir sind alle immer für weniger Bürokratie, weniger Förmelei, alles soll schneller und flexibler funktionieren.

Gleichzeitig frage ich mich, ob bei so einer essenziellen Frage wie derjenigen, ob ich eine wirksame Schiedsvereinbarung abgeschlossen habe und wenn ja, zu welchem Recht, nach welchen Schiedsregeln und vor welcher Schiedsinstitution, es sich verhält, wenn ich dann gar kein schriftliches Dokument mehr habe. Hier würde mich brennend deine Meinung aus der Praxis interessieren. Was ist davon zu halten?

EU - Ja, der Punkt springt ins Auge, nicht nur, weil er der erste Punkt des Eckpunktepapiers ist. Das Eckpunktepapier umfasst insgesamt zwölf Punkte. Einmal muss hier unterschieden werden zwischen Vereinbarungen unter Kaufleuten und Vereinbarungen mit Verbrauchern. Das Eckpunktepapier sagt ganz klar, dass gegenüber Verbrauchern auch nichts geändert werden soll. Da bedarf es wie jetzt schon auch der Schriftform. Dass man vielleicht eine gewisse Modernisierung der jetzt bestehenden Vorschriften vornimmt, da habe ich Verständnis für und die sind ehrlich gesagt etwas sperrig zu lesen. Im Moment sind die nicht ganz leicht zu verstehen, z.B. durch die Bezugnahme auf die AGBs, weil es die Möglichkeit gibt, die Schiedsvereinbarung in AGBs zu treffen. Hier ist eine Vereinfachung schon begrüßenswert.

Aber Formfreiheit finde ich auch schwierig, allein wegen der Nachweismöglichkeit, der Beweismöglichkeit in einem Verfahren, und zwar sowohl in einem staatlichen Verfahren als auch in einem schiedsrechtlichen Verfahren. Hier habe ich eben die Möglichkeit, sofern ich eine Vereinbarung getroffen habe, die sogenannte Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zu erheben. Das heißt, an dem ganz normalen Gerichtsverfahren kann eben auch künftig häufiger, vielleicht auch aus Boshaftigkeit oder aus Verzögerungstaktik oder aus welchen Gründen auch immer, sehr schnell diese Einrede erhoben werden, nämlich unter Berufung auf eine mündlich getroffene, formfreie, Schiedsvereinbarung.

Das finde ich schwierig. Ich würde eher eine Vereinfachung begrüßen, die einen Nachweis durch Text ermöglicht z.B. Text durch E-Mails oder auch durch andere Kommunikationsmittel. Es muss nicht unbedingt eine E-Mail-Nachricht sein, es kann auch die Chat-Funktion sein, über die sich die Kaufleute unterhalten haben. Aber einen gewissen Nachweis durch Text fände ich schon sinnvoll. Zumal man bedenken muss es handelt sich ja auch um eine gewichtige Frage. Es geht letztlich um den Zugang zur Justiz, wir haben den Justizgewährungsanspruch im Grundgesetz, der Zugang zu den deutschen Gerichten muss sichergestellt sein. Wenn ich leichtfertig sagen kann: Hey, wir haben übrigens mündlich eine Vereinbarung getroffen; natürlich muss ich die Existenz auch beweisen und das Gericht davon überzeugen, dass diese auch wirklich getroffen wurde. Und wenn Zweifel bestehen, wird das Gericht dem nicht folgen. Trotzdem finde ich es etwas weitreichend.

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MS – Ja, ich sehe zumal auch ein Risiko, dass ich die Schiedsvereinbarung dann möglicherweise im Erkenntnisverfahren nachgewiesen bekomme. Dann führe ich aber mein Schiedsverfahren, und muss dann aber vielleicht in einem anderen Staat vollstrecken, und letztlich kann im entsprechenden Verfahren die andere Seite dann natürlich Artikel 5 I NYC (New York Convention) bringen und argumentieren, dass wir überhaupt gar keine wirksame Schiedsvereinbarung haben. Wenn ich dann in Staaten unterwegs bin, die höhere formale Anforderungen an die Schiedsvereinbarung stellen, kann ich mir vorstellen, dass ich da extreme Probleme bekomme, die man eigentlich überhaupt nicht haben möchte.

EU - Ja, dagegen wird vorgebracht, dass es ja die Meistbegünstigungsklausel gibt und dass man sich darauf berufen kann, dass die Klausel nach dem Vollstreckungsstaat bzw. dem Schiedsort wirksam ist. Aber ich weiß auch nicht, ob man dann nicht doch noch die mündlich getroffene Schiedsvereinbarung noch andauernd in Frage stellen kann, eben auch im Vollstreckbarkeitsverfahren, und wieder darüber streiten, ob die mündliche Vereinbarung überhaupt, mal abgesehen von der Einhaltung der Formvorschrift, getroffen wurde. Hier sehe ich dann auch große Schwierigkeiten.

MS – Damit ist in der Praxis auch niemandem geholfen, wenn ich dann im Zweifelsfall ein Schiedsverfahren komplett führe und die ganze Zeit dieses Damoklesschwert darüber hängt, dass möglicherweise die Schiedsabrede, gar nicht zur Befriedigung des Enforcement Gerichts bewiesen werden kann. Das ist sicherlich nicht im Interesse der Parteien und auch nicht des Schiedsgerichts.

EU - Aus der Praxis muss man natürlich klar empfehlen, Schiedsvereinbarungen schriftlich zu vereinbaren. Sicher ist sicher. Darauf sollte man sich natürlich gar nicht einlassen, dass man das in der Luft hängen lässt.

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MS – In der Tat. Was ich spannend finde, ist der Punkt, den du ansprichst, die Gefahr, dass zukünftig so eine Art Schiedstorpedo geworfen werden könnte. Weil natürlich die Frage, ob eine wirksame Schiedsabrede besteht, auch unglaublich früh in der Prüfung des staatlichen Gerichts angesetzt wird. Also eigentlich muss ich ja, bevor ich mich mit den weiteren Zulässigkeitsthemen beschäftige und erst recht, bevor ich mich mit der Begründetheit befasse, erst einmal klären, bin ich überhaupt zuständig? Und wenn dann diese Schiedseinrede gebracht wird, wird ja jedes effizient arbeitende staatliche Gericht diese Sache erst mal prüfen. Damit kann diese Frage das ganze Thema natürlich wahnsinnig verzögern, weil ich möglicherweise tatsächlich eine Beweisaufnahme der beiden betreffenden Personen der Parteien brauche, über die Frage, was sie denn miteinander besprochen haben, führen muss. Sodass es im Verfahren im Endeffekt bis zum ersten Termin zur Beweisaufnahme überhaupt nicht weiter geht im staatlichen Verfahren.

EU - Ja, interessant mit dem Schiedstorpedo. Da ist meine Erfahrung allerdings so, dass die Richter nicht immer sofort darauf anspringen und gerne auch ein Gefühl für den gesamten Streit entwickeln. Eine abgespaltene Prüfung findet da nach meiner Erfahrung selten oder jedenfalls nicht immer statt. Insofern, ob man das gesamte Verfahren damit aufhalten kann, weiß ich nicht. Aber es könnte natürlich auch schlimmstenfalls dazu führen, dass man die Sache voll ausschreibt und dann am Ende das Verfahren doch vor dem falschen Gericht geführt hat. In jedem Fall wäre es ärgerlich.

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MS – In der Tat. Und ich glaube, dass Rechtssicherheit in alle Richtungen eigentlich das ist, was im Interesse der Praxis ist. Dazu ist hier ein weiterer Punkt in dem Eckpunktepapier, den ich ganz spannend finde. Und zwar überlegt das Justizministerium, ob wir, auch wenn das Schiedsgericht sich für unzuständig erklärt, eine Art isoliertes Aufhebungsverfahren einführen wollen, das dann im Endeffekt das Ziel hätte, die Sache wieder an das Schiedsgericht zurückzuverweisen.

Andersherum kennen wir das, dass das Schiedsgericht isoliert erst mal entscheidet: Ich bin zuständig, das kann ich überprüfen lassen und dann mache ich weiter mit der Begründetheit. Mir leuchtet jetzt erst mal diese negativ gewendete Idee ein, dass ich als Gericht die Sache wieder ans Schiedsgericht zurückschicken kann und sagen kann: Doch, es gibt hier eine wirksame Schiedsabrede, Ihr seid zuständig. Wie siehst du das? Ist das sinnvoll?

EU - Ja, das Eckpunktepapier begründet das – es gibt ja keine wirklich ausführliche Begründung – mit der Gleichbehandlung dieser beiden Entscheidungen. Die positive Entscheidung, dass das Schiedsgericht sagt, wir sind zuständig, kann überprüft werden. Die negative Entscheidung, wir sind nicht zuständig, erst einmal nicht, dann kann man zum Gericht gehen und den Anspruch beim Gericht erheben, zur Klärung, ob das Schiedsgericht zuständig ist. Aber die Zurückweisung erneut an das Schiedsgericht zurück gibt es eben nicht. Jetzt kann man überlegen, gibt es irgendwie eine Rechtfertigung für diese ungleiche Situation. Die lässt sich finden, wenn man sieht, dass eben bei der positiven Entscheidung, wir sind zuständig, es zugleich bedeutet, dass man keinen Zugang zu staatlichen Gerichten hat, weil eben das Schiedsgericht sich zuständig erklärt hat. Und in dieser Situation drängt es sich auf, dass man dann auch eine Möglichkeit hat, das nochmal gerichtlich überprüfen zu lassen. Für die andere Entscheidung vielleicht etwas weniger. Plus, das hat jetzt gerade schon angeklungen bei dir, Malte. Es ist etwas komisch, wenn das Schiedsgericht selbst sagt, wir sind nicht zuständig und dann kriegt es das Verfahren wieder „aufgebrummt“.

Die Frage ist, ob es dann zwingend dasselbe Schiedsgericht werden soll. Da ist das Eckpunktepapier noch nicht ganz klar formuliert, wie es dann weiterlaufen soll. Ob es dann sinnvoller ist, ein neues Schiedsverfahren in Gang zu bringen oder eben es zumindest offen zu lassen. Weil das kommt mir schon etwas komisch vor. Da kann auch sehr viel Zeit dazwischen ins Land gehen und es stellt sich dann auch die Frage, ist das Schiedsgericht dann noch da? Steht es noch zur Verfügung für dieses Verfahren? Aber es hat ja dann auch schon eine gewisse Vorbefassung stattgefunden. Also das finde ich vielleicht nicht so günstig, aber es liegt natürlich ohnehin in der Parteiautonomie, anderweitige Vereinbarungen zu treffen und ein neues Schiedsgericht zu installieren.

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MS – In der Tat, über diesen ganz praktischen Punkt war ich auch gestolpert. Wenn das Schiedsgericht oder der Einzelschiedsrichter seinen Schiedsspruch geschrieben hat, ist die Sache ein Stück weit ad acta gelegt und ich begebe mich zu anderen Sachen. Und eigentlich gab es bisher nicht die Situation, dass ich plötzlich, ein Jahr oder 18 Monate später, die Sache wieder auf den Tisch bekomme und gesagt bekomme: Nein, Ihr wart hier noch gar nicht fertig. Wir sind alle viel beschäftigt, dann muss ich mich ja erst mal überhaupt in diese alte Konstellation hineindenken. Können wir das schaffen, auch mit den Zeitvorgaben, die ja doch in der Schiedsgerichtsbarkeit ganz wichtig sind, dass man das Verfahren effizient führt? Kann ich das neben den anderen Schiedsrichter- und Parteivertretermandaten, die ich habe, überhaupt darstellen? Bin ich nach wie vor verfügbar etc.? Da bleibt glaube ich noch ein bisschen Diskussionsbedarf bei diesem Thema. Ich glaube, dass gerade auch der Dialog zwischen Justizministerium und Praxis hier sinnvoll ist, weil solche Fragen natürlich welche sind, die vielleicht im Ministerium gar nicht so aktiv gesehen werden, wenn man das Ganze nur durch die dogmatische Brille anschaut.

Ein weiterer Punkt, den wir noch im Eckpunktepapier haben, ist der Vorschlag eines außerordentlichen Rechtsbehelfs zur Beseitigung eines bestandskräftigen inländischen Schiedsspruchs, der analog nach den Regelungen zur Restitutionsklage nach bürgerlichem Recht laufen soll. Ich sehe dich schon - das können unsere Hörer jetzt nicht sehen - ein wenig die Stirn runzeln. Ich habe mich beim Lesen auch gefragt, will das BMJ Probleme lösen, die keine sind, oder reagiert es tatsächlich auf ein Bedürfnis in der Praxis?

EU - Es ist erst mal kein sehr großes Bedürfnis, denn es betrifft wirklich nur ganz extreme Ausnahmefälle, in denen es zu einer Restitutionsklage kommt. Damit meint man, dass im Nachhinein Tatsachen oder Umstände bekannt werden, die dann zur Aufhebung führen. Wir haben jetzt schon die Aufhebungsmöglichkeit eines Schiedsspruchs, sofern der Schiedsspruch dem sogenannten ordre public widerspricht. Damit sind viele Umstände umfasst, die auch Gegenstand der Restitutionsklage sein können. Das Problem ist allerdings, dass das Aufhebungsverfahren nur innerhalb einer Frist von drei Monaten beantragt werden kann. Wenn nun also später solche Umstände bekannt werden, zum Beispiel strafbares Verhalten der anderen Zeugen und sonstiger Mitarbeiter, dann sehe ich das Bedürfnis, das zu ändern. Ich glaube, da ist die Schweiz auch vorweg gegangen in der letzten Reform und hat das geregelt. Ich finde das ist ein Punkt, über den man noch weiter diskutieren sollte.

MS – Mit der Schweiz sprichst du was ganz, ganz Spannendes an! Das BMJ schreibt im Eckpunktepapier ausdrücklich, dass man sich an dem orientiert, was unsere Nachbarstaaten und wichtige Schiedsstandorte in den letzten Jahren in ihren nationalen Schiedsrechten gemacht haben. Aber eben auch, was UNCITRAL getan hat und welche Trends es bei den Schiedsinstitutionen gibt.

DR. Elke Umbeck

MS – In einen etwas höheren Kontext gezogen, wie findest du, dass der Gesetzgeber da tatsächlich auch auf die privaten Akteure und in unseren Nachbarstaaten schaut? Das ist beim deutschen Gesetzgeber nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, dass er sich so ein Panorama aufspannt, bevor er sich überlegt, was und wie er etwas regeln möchte.

EU - Das finde ich erst mal nur schlau, muss ich sagen. Man muss ja nicht das Rad immer neu erfinden. Man kann erst mal gucken, wie haben es andere gelöst und was ist so der Standard. Gerade wenn es sich um eine Materie geht, die halt internationale Verfahren betrifft, dann muss ich schauen, wie haben die anderen das gelöst. Ob ich es jetzt an jeder Stelle gleich lösen würde, das ist dann die andere Frage. Es gibt ja die Konzentration beim Bundesgericht, etwa in der Schweiz. Da wird dann gesagt, lass es uns hier genauso machen, lass es uns beim Bundesgerichtshof konzentrieren. Da mag es hier natürlich Gründe geben, das hier vielleicht auch anders zu handhaben als andere. Allein schon auf Grund der Gerichtsstruktur, der Größe des Landes und der Expertise, die sich auch in den letzten Jahren herausgebildet hat. Das könnten beispielsweise Gründe sein, es hier anders zu regeln.

MS – Ich sehe es wie du. Grundsätzlich ist das eigentlich sehr schön, zu sehen, wenn der Gesetzgeber eine empirische Tatsachengrundlage schafft und dabei eben auch nach links und rechts der nationalen Scheuklappen guckt. Insofern das ist sicherlich etwas, was wir uns gerade als Wirtschaftsrechtler und als international konfliktlösend Tätige häufiger wünschen würden. Das Papier deckt 12 bis 15 Punkte ab an Themen, die es regeln möchte.

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MS – Die Welt ist breit und mannigfaltig. Gibt es etwas, wo du beim Durchlesen gedacht hast: Das fehlt mir massiv? Warum wird das nicht angegangen? Gibt es da so etwas, was dir ins Auge springt oder wo du sagst; hier vermisse ich etwas eklatant.

EU - Tatsächlich nicht. Also ich finde, das BMJ hat sich bemüht, hier die Diskussion auch um aktuelle Entscheidungen, die ergangen sind, zu führen. Beispielsweise, die zum Obiter dictum des Oberlandesgericht Frankfurt, zu den Dissenting Opinions. Ich habe nichts vermisst. Wie sieht es bei dir aus?

MS – Ich sehe das so wie du! Aber du sprichst einen super Punkt an, den ich mir in der Vorbereitung noch aufgeschrieben hatte, jetzt aber gar nicht mehr aktiv auf dem Schirm hatte - genau das Thema Dissenting Opinions. Ich habe da noch keine eigene Meinung. Wie stehst du zu dem Thema?

EU - Ja, ich glaube, die Schiedswelt steht geschlossen dahinter, dass sie möglich sein müssen. Es ist auch nichts, was dem deutschen Recht wirklich fremd ist. Es gab eben keine ausdrücklich ablehnende Entscheidung dazu. Aber das OLG Frankfurt hat es eben angedeutet, dass es möglicherweise Probleme hervorrufen könnte und dem ordre public entgegenstehen könnte. Da gab es einen Aufschrei in der Schiedsszene, die dann hergeleitet hat, dass diese dem Deutschen Recht nicht fremd sind.

Auch das Bundesverfassungsgericht sieht hier die Möglichkeit, eine abweichende Meinung zu äußern und dass es eben insgesamt international Standard ist, solche abweichenden Rechtsauffassungen mit äußern zu dürfen, ohne dass das ein ordre public Verstoß hervor beschwört. Insofern stellt sich schon fast eher die Frage: Muss man es regeln, wenn es denn so eindeutig ist? Gibt es einen Regelungsbedarf dafür?

Es schadet nicht, dann ist es klargestellt. Dann hat sich der Gesetzgeber dazu Gedanken gemacht und hat es ausdrücklich zugelassen. Ich würde das eigentlich begrüßen, wenn es klargestellt würde, dann würde die Diskussion entfallen und niemand könnte sich künftig auf so einen Aufhebungsgrund berufen, weil er argumentiert, hier gibt es eine Dissenting Opinion, die dem ordre public widerspricht.

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Vielen Dank für Ihr Interesse an Deminor's Litigation Funding Podcast-Serie, in der wir aktuelle wirtschaftsrechtliche Fragestellungen im Bereich Konfliktlösung und Prozessfinanzierung mit Experten diskutieren.

Halten Sie Ausschau nach unseren kommenden Interviews, in denen Dr. Malte Stübinger, General Counsel Germany, mit weiteren Experten über das Thema Litigation Funding sprechen wird.

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Heuking Kühn Lüer Wojteck, Partnerin und Schiedsrechtsexpertin - Dr. Elke Umbeck 

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